Video Game Essays
Die Ursprungsidee, Filmessays über Computerspiele zu produzieren, basierte auf der Suche nach einer alternativen Analyseform zur textbasierten Beschreibung. Diese Intention wird im Begriff selbst fortgeführt, was zugleich den Gegenstand näher beschreibt. Der Begriff „Video Game Essays“ beinhaltet drei zentrale Aspekte, die auf den Gesamtkomplex verweisen:
Der Verwendung des Begriffs „Essay“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch nicht eindeutig. Nach dem Duden ist ein Essay (der oder das ist als Artikel möglich) eine Abhandlung, die eine literarische oder wissenschaftliche Frage in knapper und anspruchsvoller Form behandelt. Die englische Verwendung der Bezeichnung „Essay“ gilt in der Mitte des 20. Jahrhunderts „für Texte, die unsystematisch Betrachtungen über die vielfältigsten Aspekte des menschlichen Lebens wiedergeben. Die Anstrengungen, das Wort der Sache nach adäquat ins Deutsche zu übertragen, sind vielfältig und führen zu Ausdrücken wie ‚Versuch’, ‚Entwurf’, ‚Abhandlung’, ‚Aufsatz’, ‚Fragment’ bzw. zu einer ganzen Reihe von metaphorischen Umschreibungen wie ‚Abschweifung’, ‚Gespräch’, ‚Bemühung’, ‚Gedanken’, ‚Experiment’, ‚Annäherung’, ‚Spiel’, ‚intellektuelle Reise’ etc.“ (Pfammater 2002, S. 7) Eine Definition des Begriffs bzw. eine Eingrenzung erscheint allgemein als schwierig (vgl. Rohner 1966 und Pfammater 2002). Das Essay soll in diesem Kontext als eine Form der intensiven Auseinandersetzung verstanden werden, das durch die anderen beiden im Begriff enthaltenen Aspekte „Video“ und „Video Game“ noch genauer spezifiziert und eingegrenzt wird.
Zu dieser näheren Bestimmung der Form dient der zentrale Aspekt „Video“, der die Darstellung des Essays in filmischer Form impliziert. Dies bedeutet, dass keine schriftliche Analyse vorgelegt wird, sondern ein filmisches Produkt als „Unterform“ des dokumentarischen Films, das die Auseinandersetzung mit dem Thema in spezifischer Form präsentiert. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit symbolische Ausdrucksformen der Bildsprache nicht in verbale Abstraktionen zu übersetzen, sondern diese im Kontext des Spiels und seiner Visualisierung zu belassen und mit verbalen Kommentaren zu ergänzen. Hierzu werden für die Analyse – analog dem Produktionsprozess von Machinima-Filmen (vgl. Buchele 2007 sowie Kelland/Morris/lloyd 2005) – relevante Sequenzen des Spiels mit einem Screenrecorderprogramm aufgenommen, in ein Videoschnittprogramm importiert und mit einer verbalen Kommentierung in eine erzählende und zugleich erklärende Form zusammengefügt.
Über den letzten Begriffkomplex „Video Game“ wird der Gegenstandsbereich des Essays festgelegt. Thematisch stehen hierbei Digital Games im Blickpunkt der Betrachtung. Um welche Art Spiel es sich handelt, ob Lernspiel oder Edutainmentsoftware, bleibt dabei unerheblich. Dieser begriffliche Vorsatz dient der thematischen Eingrenzung und vor allem der für den Rezipienten erkenntlichen Verortung. In diesem Punkt unterscheidet sich die Arbeit an einem Video Game Essay sowohl von der klassischen Video- und Filmarbeit als auch der Erstellung eines Machinima-Films (vgl. Kelland/Morris/Lloyd 2005). Das zentrale Thema bildet das Computerspiel, das in der heutigen Lebenswelt der Jugendlichen seinen festen Platz hat und so der Forderung nachkommt, mit der aktiven Medienarbeit an „aktuelle Themen bzw. Gegenstände, an denen Jugendliche ihr Interesse bekunden und/oder die sie als Problem artikulieren“ (Schell 2003, S. 149), anzuknüpfen.
Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht sind Video Game Essays intensive, distanziert reflexive Auseinandersetzungen mit Computerspielen, die in filmischer Form präsentiert werden. ‚Video Game Essays’ versuchen, anderen dokumentarischen Genres vergleichbar, in einer Kombination aus erklärenden und erzählenden Elementen Aspekte von Computer- und Videospielen zu erforschen und in einem filmischen Beitrag darzustellen.
Literatur:
Biermann, Ralf (2009): Video Game (Film-)Essays: Der (etwas andere) Einsatz von Computerspielen zur Unterstützung von Lernprozessen. Online abrufbar bei der Online-Zeitschrift MedienPädagogik unter: http://medienpaed.com/globalassets/medienpaed/15-16/biermann0902.pdf.
Buchele, Kai-Thorsten (2007): Machinima: Virtuelle Spiel(film)helden. Aus Computerspielen eigene Filme machen. In: Computer und Unterricht, H. 68, S. 44–45.
Kelland, Matt; Morris, Dave; Lloyd, Dave (2005): Machinima. Making animated movies in 3D virtual environments. Lewes: Ilex.
Pfammatter, René (2002): Essay – Anspruch und Möglichkeit. Plädoyer für die Erkenntniskraft einer unwissenschaftlichen Darstellungsform. Hamburg: Kovac (Schriftenreihe Poetica, 67).
Rohner, Ludwig (1966): Der deutsche Essay. Materialien zur Geschichte und Ästhetik einer literarischen Gattung. Neuwied: Luchterhand Verlag.
Schell, Fred (2003): Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. 4. unveränderte Aufl. München: kopaed (Reihe Medienpädagogik, Bd. 5).